Ethnologie
In den Jahren von 1982 bis 1987, also nach dem Ende des regulären Studiums bis zum Abschluss der Promotion, sind wir in unserer eigenen Lebens- und Bildungsgeschichte durch eine wichtige Phase gegangen.
Von 1980 bis 1983, habe ich über das Studium der französischen Soziologie von Durkheim und des Strukturalismus von Claude Levy-Strauss, und im Anschluss an ein konzeptionell wichtiges Element in den Arbeiten von Marcel Mauss, die eigene „ethnologische Wende“ vollzogen. Ich habe die Hörsäle und Schreibstuben der Universitäten verlassen, um mir „unsere Welt“ auch einmal „von aussen“ anzuschauen und zu betrachten.
Diese Entscheidung wurde ganz bewusst vollzogen, weil konkrete Vorschläge und Angebote vorlagen, um bei Ernst Tugendhat in Analytischer Philosophie und über das Studium von Aristoteles und Wittgenstein das eigene Urteilsvermögen zu stärken und in eine wissenschaftliche Karriere einzusteigen.
Jedoch hat mich die „ethnologische Wende“ mehr interessiert, als der Versuch „der Fliege den Weg aus dem Fliegenglas“ zu zeigen. Für die eigene Entwicklung war die Herausforderung mich in „fremden Welten“ zu bewähren ungleich faszinierender.
Nicht unerwähnt soll bleiben, dass ich in dieser Zeit auch begonnen habe, mich der französischen Sprache zu bemächtigen, und auch Afrikanistik und afrikanische Sprachen zu studieren und auch zu lernen. Bewältigt habe ich diese Herausforderungen mit viel jugendlichem Enthusiasmus und beträchtlichem persönlichen Einsatz, gefördert durch mehrere kleine Stipendien, z. B. der Studienstiftung des Deutschen Volkes. Im Jahr 1982 habe ich dann mein erstes Konzept für ein Projekt entwickelt und erfolgreich verkauft.
Die Einnahmen aus diesem Verkauf, zusammen mit einem bescheidenen Stipendium der Carl-Duisberg Gesellschaft (CDG) haben mir einen ersten Forschungsaufenthalt von 1983-84 über einen Zeitraum von sechs Monaten in Burkina Faso ermöglicht, in denen ich oft bei afrikanischen Kleinbauern in den Dörfern übernachtet, mehrere Anfälle von Amöbenruhr überlebt habe, Gefängnisaufenthalte glücklich überstanden habe, und mit dem Moped und im Buschtaxi mehrere tausend Kilometer an die Elfenbeinküste und über Mali und das Dogonland wieder nach Ouagadougou.
Es war eine Zeit des persönlichen Aufbruchs, der mich glücklicherweise auch nach Paris geführt hat, wohin ich von Michel Izard an das Laboratoire d’Anthropologie Sociale von Claude Levy-Strauss eingeladen und wo ich mit einem kleinen Stipendium der Ecole des Haues Études en Science Social (EHESS) gefördert worden bin. Es war eine Zeit, die mich auch mit Frankreich, seiner Kultur und seinen Menschen, ganz eng und tief verbunden hat.
In dieser sehr intensiven und auch fruchtbaren Zeit habe ich dann auch von 1983 bis 1987 die Forschungsergebnisse immer wieder durch wissenschaftliche Aufsätze dokumentiert, um sie an die Kollegen und die Wissenschaftsgemeinde weiterreichen zu können. Diese Aufsätze sind hier vorgestellt. Teilweise habe ich diese Aufsätze auch ins Französische übersetzt, um sie meinen französischen Kollegen zugänglich zu .machen.
Den Abschluss dieser Arbeiten und der Schaffensperiode bildet dann die Dissertation, in der ich aus der ethnographischen Arbeit über die wissenschaftliche Theorie des Strukturalismus die Komplementarität afrikanischer politischer Systeme nachweisen konnte.
Dabei ist es mir gelungen, auf der Basis von umfangreichem ethnographischen Material die grundlegende politische Struktur als ein „System der Komplementarität“ darzustellen. Dies ist gebildet (a) auf der einen Seite von der strukturellen Position des „Erdherren“, also geistiger Macht, die verbunden ist mit der autochthonen und spirituellen Kraft, welche die Menschenwelt mit den geistigen Wesen von Himmel und Erde verbindet, und (b) auf der anderen Seite von der strukturellen Position des „Herrschers“ und Verwalters der sozialen, ökonomischen und politischen Angelegenheiten.
Damit habe ich auch die die Arbeiten von Meyer Fortes bestätigen können, wie sie in dem klassischen Werk “African Political Systems” (1940), das Meyer Fortes und Evans-Pritchard zusammen geschrieben und herausgegeben haben, ausführlich dargestellt sind. Dort sind in klarer Form die Prinzipien der Segmentation und der komplementären Struktur der traditionellen afrikanischen politischen Systeme als grundlegendes Modell dargestellt.
In unserer Arbeit weichen wir jedoch von dem rein funktionalistischen Ansatz von Meyer Fortes ab und arbeiten im Sinne des Strukturalismus von Levy-Strauss die zugrundeliegenden Strukturen der gesellschaftlichen Form und der Verhaltensweisen der entscheidenden sozialen, politischen und ökonomischen verantwortlichen Akteure heraus.